K. u. W. vietleins
Deutsches Lesebuch
Auf Grund der Bestimmungen über die Neuordnung des Mittelschulwesens
in Preußen vom Z. Februar 1910 neu herausgegeben von
5. w. genetzkq und E. Hellmuth
Geh. Negierungsrat, Neg.- u. Rektor in Magdeburg
Schulrat a.v. in Magdeburg
unter Mitarbeit von
G. Götze und H.zchrader
Stadt- und Rreisschul- Rektor in Erfurt
Inspektor in Duisburg
Ausgabe D in 4 Teilen
Iii. Teil
für das sechste und siebente Schuljahr
paritätische Ausgabe
Der Neubearbeitung 3. Auflage
Druck und Verlag von B.g.teubner in Leipzig und Berlin 1915
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch]]
TM Hauptwörter (200): [T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T8: [Abschnitt erster Periode zweiter Zeitraum dritter Kap Buch Kapitel vierter]]
Extrahierte Personennamen: Hellmuth
Geh
Extrahierte Ortsnamen: Magdeburg Magdeburg Erfurt Duisburg Leipzig Berlin
3
3. So klagten die Minder. Das war nicht recht,
ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht.
Der neue freilich, der knausert und spart,
hält j)ark und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
der wußte genau, was damals er tat,
als um eine Birn' ins Grab er bat.
Und im dritten Jahr aus dem stillen b)aus
ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.
4. Und die Jahre gehen wohl aus und ab,
längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
und in der goldenen Herbsteszeit
leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein ^)ung' übern Kirchhof her,
so flüstert's im Baume: „U)iste 'ne Beer?"
Und kommt ein Mädel, so flüstert's: „Lütt Dirn,
komm man röwer, ick gew' Di 'ne Birn!"
So spendet Segen noch immer die Hand
des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
Theodor Montane.
A—
5. Im Freien.
1. Hüpft ein Vöglein, singt mir
zu:
„Freude! Holde Freude!
Kuß und Sang, ein Paradeis
auf dem grünen, frischen Reis,
unter Blüten, rot und weiß,
auf der grünen Heide."
2. Fließt ein Bächlein, rauscht
mir zu:
„Freude! Holde Freude!
Muntre Schwätzer lustig ziehn
in die Wiesen saftig grün,
oder wo die Sträucher blühn
auf der grünen Heide."
3. Fliegt ein Bienlein, summt
mir zu:
„Freude! Holde Freude!
Hohes Fest und süßes Mahl,
Honigblüten ohne Zahl,
Duft im warmen Sonnenstrahl
auf der grünen Heide."
4. Tanzt ein Mädchen, lacht mir
zu:
„Freude! Holde Freude!
Ostertag, so licht und warm,
Bachgemnrmel, Bienenschwarm,
Vogelfang und, Arm in Arm,
Tanz auf grüner Heide."
Volkslied.
1
TM Hauptwörter (50): [T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
4
6. Muttersprache.
1 Muttersprache, Mutterlaut,
wie so wonnesam, so traut!
Erstes Wort, das mir erschallet,
süßes, erstes Liebeswort,
erster Ton, den ich gelallet,
klingest ewig in mir fort.
2. Ach, wie trüb' ist meinem Sinn,
wenn ich in der Fremde bin,
wenn ich fremde Zungen üben,
fremde Worte brauchen muß,
die ich nimmermehr kann lieben,
die nicht klingen als ein Gruß!
3. Sprache, schön und wunderbar,
ach, wie klingest du so klar!
Will noch tiefer mich vertiefen
in den Reichtum, in die Pracht;
ist mir's doch, als ob mich riefen
Väter aus des Grabes Nacht.
4. Klinge, klinge fort und fort,
Heldensprache, Liebeswort!
Steig empor aus tiefen Grüften,
längst verscholl'nes, altes Lied!
Leb aufs neu' in heil'gen Schriften,
daß dir jedes Herz erglüht!
5. Überall weht Gottes Hauch;
heilig ist wohl mancher Brauch;
aber soll ich beten, danken,
geb' ich meine Liebe kund,
meine seligsten Gedanken,
sprech' ich wie der Mutter Mund.
Max v. Schenkendors
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
— 8 —
Tür ein; die Glocke läutete; hinten im Backhause riß „Perle" an der Kette
und erhob ein wütendes Gebell.
Atemlos stand ich vor dem kleinen, hitzigen Gesellen, der nun freude-
winselnd an mir aufstrebte. Kräftig dufteten die frischen Roggenbrote,
welche reihenweise auf den Wandgestellen lagen, und nebenan in der offenen
Kammer stand die alte Mutter Wies am Backtroge, mit dem Ansäuern des
Teiges für den morgenden Tag beschäftigt. Im Backhause selbst drängte
sich eine Schar von Nachbarskindern, welche, mit irdenen Schüsseln in der
Hand, auf die Austeilung der Abendmilch warteten; denn auch eine Milch-
wirtschaft wurde hier mit vier oder fünf schweren Marschkühen betrieben.
,Fena noch nicht farbig?" fragte ich auf plattdeutsch, und die alte Frau
hielt im Kneten inne, und ihre noch immer schönen Augen blickten mit
großmütterlicher Zärtlichkeit auf mich
Nein, Lena und Vater Wies waren noch im Stall beim Melken.
Schnell war meine Handleuchte ausgeblasen und auf den Tisch gestellt;
dann ging's über den dunkeln Steinhof und in den alten, niedrigen Stall
hinein, durch den übrigens im Sommer der Weg zu einem seltsam stillen
Garten voll roter Zentifolien und kleiner, süßer Stachelbeeren führte.
2. Unter dem Boden des Stalles hing eine Laterne; aber es war kein
Licht, sondern nur eine Art leuchtenden Dunstes, den sie in einem engen
Kreise um sich her verbreitete. Und doch, für welch trauliche, kleine Welt
war sie der Mittelpunkt!
Aus dem Dunkel, wo die Kühe an ihren Raufen wiederkäuten, klang
es mir leibhaftig wie der alte Volksreim entgegen:
„Stripp, strapp, stroll, — is de Ammer nich bald voll?"
Ich rief ihn denn auch lustig in das Dunkel hinein, und: „Geduld
überwindet Schweinebraten!" kam sogleich von dort her die heitere Stimme
meiner Freundin Lena an mich zurück, und unter einer anderen Kuh heraus
scholl als Begleitung im Grundbaß das behagliche Lachen von Vater Johann
Wies. Lena regierte mich mit scherzenden Worten, ja, bloß mit ihren
klugen Augen sicher genug, und so warf ich mich geduldig neben der Tür
auf einen Haufen Heu, während seitwärts auf der Hühnerleiter der Hahn
mit seinen Hennen im Traume kakelte und von den Kühen her der Strich
des Melkens eintönig hervorklang, nur mitunter durch einen Zuruf unter-
brochen, wenn die Bläß oder die Schwarze etwa nicht ordnungsmäßig
standhielten.
Endlich, mit schwerem Eimer und heißem Gesicht, trat Lena in den
Leuchtkreis der Laterne und bot mir freundlich guten Abend. Sie war
von kleiner Statur; ihre Gesichtszüge — sie mochte in meiner Knabenzeit
etwas über dreißig Jahre zählen — ließen erkennen, daß sie einst un-
gewöhnlich wohlgebildet gewesen sein mußten Nur die schönen, braunen
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
Extrahierte Personennamen: Lena Ammer Lena Johann
Wies Johann Lena Lena
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tief. „Klettre nich sau veel op bei ollen Masten rum, mien Reinhold, du
kannst gar to licht darunner fallen und dick bei Knoten tweibräken. Un
dann noch eins, mien Junge! Paß op, dat du keine natten Fäute kriegst.
Taum Andenken hebbe ick dick noch ein Paar Strümpe knütt, und wenn
du einmal natt worden bist, dann treckst du bei glieks an. Kiek mick
einmal an und miene dicke Backe. Dei ganze Nacht hebbe ick Tähneweidag
hatt, und dat is blot von natte Fäute komen, dei ick vorgistern bi dat
Kartüffelroden kregen hebbe." Dabei reichte sie mir ein Paar Strümpfe,
die mir bis an den Magen gingen.
2. Die gute Christel Wolters! Sie ruht nun schon längst unter dem
Rasen. Als ich einst nach langer Abwesenheit als Schiffskapitän die alte
Heimat besuchte, galt einer meiner ersten Gänge ihr. Sie war inzwischen
die Frau eines ehrsamen Fleischermeisters geworden, aber im Herzen war
sie geblieben wie damals. „Reinhold, mien Reinhold!" rief sie, indem sie
mich in ihre Arme schloß und Freudentränen über ihre Backen rannen,
„wat eine Freude, dat du einmal wedder herkümmst! Hebbe ick et aber
nicht immer seggt, dat doch ein düchtigen Keerel ut dick ward?"
Ich habe zwar ihren letzten Rat so viel wie möglich zu befolgen ge-
sucht, aber es dauerte nicht lange, da waren Christels lange Strümpfe
ebenso naß wie die vorher ausgezogenen. Die See nahm gar zu wenig
Rücksicht; sie lief oft sehr zudringlich oben in die Stiefel hinein. Und
gar manche Tage und Rächte blieb nichts anderes übrig, als vor dem
Schlafengehen nicht allein die Strümpfe, sondern auch die übrigen
Kleidungsstücke auszuwringen, die Seestiefel zum Auslecken umgekehrt auf-
zuhängen und sie nach vier Stunden, d. h. nach Ablauf der Freiwache,
so wieder anzuziehen. „Tähneweidage" habe ich allerdings damals trotz-
dem nicht bekommen.
Ii.
An einem schönen Oktobertage verließ ich mit dem Vater die Heimat,
um zunächst nach Magdeburg und von da mit einem Dampfer nach Ham-
burg zu fahren. Während des ersten Reisetages sah ich jedoch nicht aus
wie einer, deffen Wunsch nach so langem Harren in Erfüllung gegangen
war; im Gegenteil, ich war bis zum Tode betrübt. Daß mir der Abschied
von der Mutter so schwer werden würde, hatte ich nicht geahnt. Und als
sie im letzten Augenblicke ihre Hände auf mein Haupt legte, den Segen
Gottes auf mich herabrief und ihre letzten Worte waren: „Bleibe ein
guter Mensch, mein Junge!" da blutete mein Herz. Gleichzeitig gelobte
ich mir aber in meinem Innern, dieser letzten Worte stets eingedenk
zu bleiben. Sie haben mich, wenn ich später einmal zu straucheln drahte,
stets wieder auf den rechten Weg zurückgeführt, und der Segen der ge-
liebten Mutter hat auf meinem Lebenswege auf mir geruht.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle]]
TM Hauptwörter (200): [T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr]]
Extrahierte Personennamen: Reinhold Christel_Wolters
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merkte ich bald, einen ganzen Haufen erdachter Geschichten aufgebunden
und mir für den Grog, den ich ihm von meinem geringen Taschen-
gelde gekauft hatte, wie man zu sagen pflegt, „gehörig die Hucke voll-
gelogen".
Die Belehrung des guten, alten Witt hatte mich allmählich zaghaft
gemacht, und wenn auch nur leise, kam doch bereits der Gedanke: „Hast
du richtig gehandelt, diesen Beruf zu wählen?" Jetzt jedoch war es zu
spät. Ich gedachte der Worte des Vaters, daß ich meinen Willen haben,
aber auch allein alle Folgen tragen sollte, und war entschlossen, alles
hinzunehmen.
Nach Ablauf der mir bewilligten Frist begab ich mich an Bord meines
Schiffes. Um ihm einen neuen Kupferbeschlag zu geben, war es auf das
Land geholt. Es stand, überall mit Balken abgestützt, noch auf der „Helling"
genannten schiefen Ebene und sollte demnächst wieder ins Wasser gelassen
werden.
Iv.
Mein Empfang an Bord war keineswegs dazu angetan, meine Stim-
mung zu heben. Der Kapitän, ein sehr schweigsamer und grimmig drein-
blickender Mann, beachtete mich kaum. Der Obersteuermann, an den ich
gewiesen wurde, fragte nur nach meinem Namen, um mir dann zu sagen:
„Geh zum Bootsmann, er wird dir Arbeit geben!" Die Matrosen schauten
mich neugierig, aber keineswegs mit Wohlwollen an. Sie machten in
ihrem Plattdeutsch — das allein wurde an Bord gesprochen — über
mich Bemerkungen. Ich verstand sie kaum halb, da das Hamburger Platt
von dem meiner Heimat sehr verschieden ist, aber schmeichelhaft und er-
mutigend waren sie für mich nicht.
Unterdes war auch meine Seekiste an Bord gekommen. Sie wurde
zu andern vor den „Kojen", den Wohnräumen der Seeleute, aufgestellt. Ich
bekam keinen kleinen Schreck, als ich den Raum erblickte, in dem 18 Men-
schen, die Besatzung des Schiffes außer dem Kapitän und zwei Steuer-
leuten, für die Dauer der Reise, also fast ein Jahr lang leben sollten.
Er war nur fünfzehn Fuß lang und fünfundzwanzig Fuß breit und dabei
so niedrig, daß selbst ich, der ich noch nicht ganz ausgewachsen war, nicht
ganz aufrecht darin stehen konnte. Und doch enthielt er sechzehn Kojen,
vor denen noch die achtzehn Seekisten der Besatzung standen, und zwei
kleine Hängetische. Nur mit Vorsicht konnte man sich daher in dem Raume
bewegen. Da nur sechzehn Kojen vorhanden waren, mußten sich die vier
Jüngsten in zwei teilen, eine Aussicht, die mich keineswegs entzückte.
Doch ich hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Denn kaum
hatte ich meine Seegrasmatratze nebst zwei wollenen Decken in meiner Koje
untergebracht, als auch schon der Bootsmann an der Kappe der Nieder-
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau]]
TM Hauptwörter (200): [T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute]]
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(Kambüse) und schrie mit lauter Stimme: „Schaffen! Schaffen!" — „Was,
noch immer mehr?" dachte ich bei mir und sah ihn verwundert an; „ich
habe doch schon tüchtig was geschafft."
„Watt stechst du da und verköffst Muulaapen, du bobenlandische
Sweizerbub? Hast du nich hört? Schaffen! Röhr de Beine und bring
gau (geschwind) de Back dal!"
Ich stand wieder vor einem Rätsel. „Schaffen", „gau", „Back"? —
Ich mußte wohl in dem Augenblick sehr erbarmungswürdig aussehen; denn
einer der Matrosen sagte mitleidig: „Sweizers verstaht ja kein Plattdütsch,
Kock! Snack doch messingsch mit em, darün büst du ja fix." Offenbar
fühlte sich der Koch durch diese Anerkennung seiner höheren Bildung sehr
geschmeichelt, denn er erklärte mir die Sache sofort auf messingsch, wie
die Matrosen hochdeutsch nennen, was sie möglicherweise von Meißen ab-
geleitet haben, weil man dort nur hochdeutsch spricht.
„Sühst du, mein Junge," begann er, „du büst doch von hogem
Kommas (Herkunft), aber du mußt nich so dösköppig sein. Ich bin zwarst
man einen simpeln Koch, wenn mich (mir) auch in das Kochen von Klüten
(Klößen) so leicht keiner über is, aber ich kann doch hochdütsch, und du
als Sweizer weißt von Platt nichts nich ab. Schaffen, das is Essen, und
deine Schuldigkeit is, daß du den Matrosen die Zuppe und das Fleisch
und die Kartüffeln in die Back hinunterträgst und sie auf die Back an
Backbord unten ins Logis setzst."
Herr Gott! Das meiste war mir ja klar! Aber dies dreifache Backen,
von denen offenbar jedes etwas anderes bedeutete! Doch ich traf das
Richtige. Ich nahm die eine Back als hölzerne Suppenschüssel und setzte
sie auf die zweite, den Tisch im Logis, der sich an Backbord, d. h. an
seiner linken Seite befand.
Das Essen war gut und kräftig und schmeckte mir nach der Arbeit
vortrefflich.
Während der einstündigen Mittagspause rauchten die Matrosen ihren
Kalkstummel und spannen Garne, wie sie ihr Erzählen nennen. Mir
dagegen wurde bedeutet, daß ich den Tisch zu reinigen und dann die
Backen oben an Deck abzuwaschen hätte. Ich dachte unwillkürlich an
meine erste Pensionsmutter in Magdeburg, die mancherlei häusliche Dienste
von mir verlangt hatte, aber nicht mehr so stolz wie damals, denn Ab-
waschen war mir doch von ihr nicht zugemutet worden.
Vi.
1. Um ein Uhr ging es wieder an die Arbeit, bis es dunkel wurde
Es schien, als ob man es besonders auf mich abgesehen hätte. Immer
gab es etwas anderes für mich zu tun, und bei jeder Arbeit wurden
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art]]
22
daß kein Räuber, stumm und lauernd, in der Waldschlucht ihn entdeckt,
kein Verrat den Heimgekehrten an der Schwelle niederstreckt!*
3. Also flehten sie; der Räuber hört’ es hinterm Kruzifixe,
schnallte fester noch den Säbel, spannte schärfer noch die Büchse.
Und der Jüngste, sich bekreuzend, hub noch einmal an zu lallen:
„Lieber Herr, ich weiß, die Amme sagt’ es mir, du hilfst uns allen,
jeden Hauch vernimmst du droben. Freundlich wie das Sonnenlicht
über alle, Gut’ und Böse, neigest du dein Angesicht.
Gib den Räubern, den gewalt’gen, die da schwärmen auf den Wegen,
gib ein Haus, darin zu wohnen, einen Vater, sie zu pflegen,
warme Kleider, blanke Schuhe, Wein und Speisen mancherlei,
daß sie nicht zu rauben brauchen und der Vater sicher sei!
Wüßt’ ich, wo ein Räuber wäre, ging’ ich zu ihm ohne Beben,
dieses Kettchen hier am Halse, diesen Ring wollt’ ich ihm geben,
meinen Pelz, den scharlachroten, dieses Mützchen auch dazu,
nimm dir alles, lieber Räuber; nur den Vater schone du!“
4. Und der Räuber hört den Knaben hinterm hohen Kruzifixe,
nach dem Säbel faßt er schweigend, schweigend faßt er nach der
Büchse. -
Da von ferne hört er’s nahen. Rosse schnauben, Räder knarren,
mühsam aus des Tales Grunde schwankt herauf der hohe Karren;
und den Säbel zieht der Räuber, richtet langsam, stumm die Büchse,
und so steht er, lauscht und zielet hinterm hohen Kruzifixe.
Niederknieen noch die Kinder: „Herr, um unsers Vaters Leben
laß, o laß die holden Arme wie zwei Flügel ihn umschweben,
daß sein gutes Roß nicht strauchle, nicht sein Fuß vom Wege irrt,
daß die Kugel nicht des Räubers mörderisch sein Haupt um-
schwirrt!“ —
Und der Vater kommt gefahren, ungefährdet, wie sie flehn,
drückt die Kinder an den Busen, und kein Räuber ward gesehn!
Nur den blanken Säbel fand man, nur die scharf gelad’ne Büchse;
beide waren ihm entsunken hinterm hohen Kruzifixe.
Robert Prutz.
18. Jung gewohnt, alt getan.
1. Die Schenke dröhnt, und an dem langen Tisch
ragt T^opf an l{opf verkommener Gesellen,
man pfeift, man lacht; Geschrei, Fluch und Gezisch
ertönte an des Trankes trüben Ivellen.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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TM Hauptwörter (200): [T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch]]
23 —
2. 3n dieser Wüste glänzt' ein weißes Brot,
sah man es an, so ward dem Kerzen besser;
sie drehten eifrig draus ein schwarzes Schrot
und wischten dran die blinden Schenkemesser.
3. Doch einem, der da mit den andern schrie,
fiel untern Tisch des Brots ein kleiner Bissen;
schnell fuhr er nieder, wo sich Rchie an Rchie
gebogen drängte in den Finsternissen.
4. Dort sucht' er selbstvergessen nach dem Brot;
doch da begann's rings um ihn zu rumoren,
sie brachten mit den Füßen ihn in Not
und schrien erbost: „Was, 'bjerl! hast du verloren?"
5. Errötend taucht' er aus dem dunkeln Graus
und barg es in des Tuches grauen galten.
Er sann und sah sein ehrlich Vaterhaus
und einer treuen Mutter häuslich Walten. —
6. Nach Jahren aber saß derselbe Mann
bei Herrn und Damen an der Tafelrunde,
wo Sonnenlicht das Silber überspann
und in gewählten Reden floh die Stunde.
?. Auch hier lag Brot, weiß wie der Wirtin Hand,
wohlschmeckend in dem Dufte guter Sitten;
er selber hielt's nun fest und mit Verstand,
doch einem Fräulein war ein Stück entglitten.
8. „£>, lassen Sie es liegen!" sagt sie schnell.
Zu spät! Schon ist er untern Tisch gefahren
und späht und sucht, der närrische Gesell,
wo kleine, seidne Füßchen stehn zu j)aaren.
9. Die Herren lächeln, und die Damen ziehn
die Sessel scheu zurück vor dem Beginnen;
er taucht empor und legt das Brötchen hin,
errötend hin auf das damastne Linnen.
Jo. „Zu artig, Herr!" dankt' ihm das schöne Rgnd,
indem sie spöttisch lächelnd sich verneigte;
er aber sagte höflich und gelind,
indem er sich gar sittsam tief verbeugte:
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
28
Und an mein Bett kamst du mit leisen Zehen,
ein Schutz für mich — wie sorgenvoll du horchtest!
Längst schon dein Grab die Winde überwehen,
ein Gruß für mich — wie liebevoll du sorgtest!
Detlev v. Liliencr
25. Dar taubstumme Kind.
J. von dichter 'Zinderschar umgeben,
pausbäckig alle und gesund,
schien wolkenlos der Mutter Leben,
und alles stand auf sicherm Grund.
2. Nur eins von all den Glücksgewinnen,
ein Mädelchen im lust'gen Schwarm,
war taubstumm und von blöden binnen,
lag täglich fast dem Tod im Arm.
3. Verdreifacht hält der Liebe Posten
vor ihrem Stübchen seine Macht,
und keine Mühe, keine Zosten
erschüttern seine Heldenmacht.
4- Und weiter atmet, lebt die Zranke,
nun ist sie dreizehn Jahre schon,
doch immer bleibt dieselbe Schranke,
versagt ist ihr der Menschenton.
5. Der Mutter heißeste der Bitten,
der Münsche heißester ist nur,
bevor ihr Liebling ausgelitten,
eh' abgelaufen ihre Uhr:
6. daß sie ein einzig Mal nur sage,
ein einzig Mal das eine Mort
„Mutter!" — und wegfegt alle Zlage,
und alle Trübsal ist verdorrt.
7. Das Mädchen starb, mit reinem Kerzen
sank oben sie an Gottes Brust,
die Mutter blieb im Land der Schmerzen
und gab sich schwer in den Verlust.
8. Dann starb auch sie nach vielen Jahren,
nach plag' und Arbeit, wie's so geht,
wir alle müssen's ja erfahren,
wie scharf der Mind auf Erden weht.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]